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Erfolgreich aufgetischt: Insektenriegel made in Cologne
Das Kölner Startup Swarm Nutrition GmbH hat ein außergewöhnliches Lebensmittel entwickelt – einen Riegel aus Insekten. Mit dem, was dann folgte, haben die Gründer Timo Bäcker und Christopher Zeppenfeld nicht gerechnet.

Datteln, Haferflocken, Rosinen, Haselnüsse – die Liste der Ingredienzen liest sich für einen Fitnessriegel nicht sonderlich spektakulär. Bis auf eine Zutat: Grillenpulver, 17 Prozent. Zu erkennen sind die Insekten nicht. Klar, die Rede ist ja von Pulver. Auch geschmacklich sticht die Grille nicht hervor. Dennoch ist es in unserem Kulturkreis bislang keine alltägliche Sache, Insekten zu verspeisen. Das zu ändern, hatten sich Timo Bäcker und Christopher Zeppenfeld 2013 vorgenommen. „Uns hat damals der Bericht der Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO inspiriert. Dort ging es um Insekten als alternative proteinreiche und klimaschonende Nahrungsquelle für die wachsende Weltbevölkerung. Wir fanden diese Idee spannend und haben überlegt, uns damit selbstständig zu machen“, sagt Christopher Zeppenfeld.
2015 wurde es ernst. Timo Bäcker schmiss seinen Job als Designer, Christopher Zeppenfeld gab seine Dissertation in Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln ab, zwei Tage später saßen die Schulfreunde im Flieger nach Bangkok. Schließlich leben in Südostasien die meisten der rund zwei Milliarden Menschen, die regelmäßig Insekten verzehren.
Den ersten Kontakt mit essbaren Insekten machten die beiden Schulfreunde in Bangkok auf der Khaosan Road. Die zahlreichen Stände mit frittierten Käfern und Larven sind Anziehungspunkt für Touristen, die dieses skurrile Reiseerlebnis für die Daheimgebliebenen fotografisch dokumentieren. Auch Timo Bäcker und Christopher Zeppenfeld mussten erst lachen und ihre Hemmungen überwinden. „Wir haben uns langsam herangetastet. Erst haben wir Insekten mit wenigen Beinen und Antennen probiert. Eine kulinarische Erleuchtung war es allerdings nicht“, erinnert sich Christopher Zeppenfeld. So beschlossen sie, weiter weg von den üblichen Touristenpfaden zu reisen, um mehr über die traditionelle Insektenzubereitung und -zucht zu erfahren. „Wir haben uns Motorräder gekauft und sind zweieinhalb Monate durch Vietnam, Laos und Thailand gereist, um uns genau dort umzuschauen, wo Insekten traditionell auf dem Speiseplan stehen“, berichtet Timo Bäcker.
Probieren geht über Studieren
Thailand ist der weltgrößte Markt für essbare Insekten. Dort gibt es allein 20.000 Farmer, die Grillen züchten. Einige solcher Mikrofarmen haben sich die beiden Kölner angeschaut. Je länger die Reise dauerte, umso mutiger wurden die beiden bei ihrem Essverhalten. Schon bald trauten sie sich an Heuschrecken, faustgroße Wasserwanzen, Hornissen und deren Larven, die sie direkt aus den Waben pulten. „Irgendwann haben wir festgestellt: Wir essen alle Insekten, die es hier zu kaufen gibt, und sie schmecken bei anständiger Zubereitung gut – bis auf Kakerlaken. Allerdings hat es auch eine lange Zeit gedauert, bis wir so weit waren. Deshalb mussten wir einen Weg finden, um die Akzeptanz der Insekten als Lebensmittel auf dem europäischen Markt zu beschleunigen“, so Christopher Zeppenfeld.

Sie beschlossen, dass es verkaufsförderlicher wäre, die Optik der Tiere zu entschärfen. Nach dem Motto: Wenn Beine und Flügel erst zermahlen sind, ist die Hemmschwelle, sie zu essen, geringer.
Zurück in Deutschland tauschten sie sich mit einer Freundin aus, die sich als Ernährungswissenschaftlerin damit beschäftigte, wie Protein die Sportler bei der Regeneration unterstützt. Mit ihrer Hilfe knüpften Zeppenfeld und Bäcker Kontakt mit der Deutschen Sporthochschule Köln. Schnell wurde die vage Geschäftsidee konkreter: Das Produkt sollte ein Riegel sein und vor allen Dingen Sportler als Zielgruppe ansprechen. Nun brauchte das Start-up das nötige Kapital, um das gewünschte Produkt zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten. „Zunächst haben wir uns um ein Exist-Gründerstipendium des Wirtschaftsministeriums beworben. Die aufwendige Anmeldung war rückblickend hilfreich, um unseren Businessplan glatt zu ziehen. Wir haben dann nicht nur dieses Stipendium bekommen, sondern auch einige Wettbewerbe gewonnen, eines der erfolgreichsten Crowdfunding-Projekte für Lebensmittel in Deutschland abgeschlossen und eine KfW-Förderung über unsere Hausbank, die Sparkasse KölnBonn, erhalten. So haben wir die erste Produktion finanziert“, erzählt Timo Bäcker.

Zwischen Rückschlägen und Erfolgen
Nach dem vielversprechenden Start ließen die ersten Rückschläge nicht lange auf sich warten. Die Lebensmittelbranche kannten die beiden Freunde bis dato nicht. Die Unkenrufe der Branchenkenner, es sei so gut wie unmöglich, einen neuen Rohstoff auf den europäischen Lebensmittelmarkt zu bringen, haben sie zunächst nicht ernst genommen. Doch es galt tatsächlich, einige Hindernisse zu überwinden. Zusammen mit einer Kanzlei für Lebensmittelrecht kämpften Bäcker und Zeppenfeld darum, einen Riegel mit Insektenpulver in Deutschland produzieren zu dürfen. Auf die grundsätzliche Erlaubnis folgte die Erkenntnis, dass sie ihre Rechnung ohne den Zoll gemacht hatten. Bevor das Insektenpulver eingeführt werden konnte, mussten die Gründer mit dem Zoll klären, wie die Insekten als Importgut eingestuft werden sollen. So vergingen von der Gründung des Start-ups bis zum ersten produzierten Riegel ganze drei Jahre. Insekten sind bis heute ein komplizierter Fall im Lebensmittelrecht. Nur eine Handvoll Unternehmen in Europa haben die Erlaubnis, das neuartige Lebensmittel zu verkaufen. Swarm Nutrition zählt dazu.

Insekten im Supermarktregal
Nachdem die Gründer die ersten Riegel über ihren Onlineshop an die fitnessbewussten Sportler brachten, signalisierte auch der stationäre Lebensmittelhandel schnell Interesse. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass der Markt dafür schon bereit ist. Auch im Hinblick auf unsere Kapazitäten waren wir von dem großen Ansturm erst einmal überfordert. Die großen Handelsketten wollten von uns wissen, in welchem Turnus wir unsere Handelsvertreter in die Regionen schicken. Dabei waren wir ja nur zu zweit“, lacht Christopher Zeppenfeld.

Inzwischen hat Swarm Nutrition acht Mitarbeiter und kann auf die wachsende Nachfrage bei Rewe, Edeka und Co. besser reagieren. Im ersten Halbjahr wurden mehr als 100.000 Riegel verkauft. Es gibt sie in drei Geschmacksrichtungen – rote Beeren, Schokolade und Nüsse.
„Es scheint in den Köpfen der Menschen angekommen zu sein, dass man Insekten essen kann. Das freut uns natürlich. Jetzt sind wir übrigens mit der Sparkasse KölnBonn dabei, unseren Wachstumskredit zu organisieren. Es ist schön zu sehen, dass unsere Hausbank hinter dem Produkt steht. Schließlich wollen wir Insekten als ein umweltfreundliches und nährstoffreiches Lebensmittel in die Mitte der Gesellschaft bringen“, betont Timo Bäcker.
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