Als Frau in eine Führungsposition kommen
Auch 2024 ist das Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen in Deutschland nicht ausgeglichen. Zwar steigt der Anteil an Frauen im mittleren Management, aber nach wie vor hindert die sogenannte Gläserne Decke am letzten Schritt auf der Karriereleiter: Positionen im oberen Management sind mehrheitlich von Männern besetzt – und das über 45 Jahre nach der Einführung des Begriffs.
Zahlen und Fakten: aktuelle Geschlechterverteilung in deutschen Führungsetagen
Der Blick in die Statistik bestätigt den Eindruck im Arbeitsalltag: Nur wenige Frauen haben Positionen mit Leitungs- und Entscheidungsbefugnis. Laut dem Bericht des statistischen Bundesamts von 2023 war nur jede dritte Führungskraft weiblich. Im Erfassungszeitraum seit 2012 hat der Frauenanteil nur um 0,3 Prozentpunkte zugenommen. Im EU-Ranking nimmt Deutschland damit einen Platz im unteren Drittel ein. Interessanterweise haben junge Frauen im Vergleich zu jungen Männern anteilsmäßig höhere Schulabschlüsse – aber sie promovieren und habilitieren seltener.
Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern in Deutschland
20 Prozent sind es, die Frauen in Deutschland durchschnittlich weniger für ihre Arbeit erhalten als Männer. Oft ist die Ursache die flexible Beschäftigungsform: Mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit oder sind geringfügig beschäftigt. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben 45 Prozent der Frauen gegenüber 9 Prozent der Männer keine Vollzeitanstellung.
Selbst wenn diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse herausgerechnet werden, bleibt der Gender-Pay-Gap bestehen. In der Realität bedeutet das für Frauen eine geringere Chance auf eine Beschäftigung, mit der sie ihre eigene Existenz sichern können, wie das BMFSFJ mitteilt. Dadurch erhöht sich ihr Risiko der Altersarmut. Ein Grund für den Gehaltsunterschied ist, dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben und dadurch weniger als Männer verdienen.
Warum ist es für Frauen schwer, in Führungspositionen zu kommen?
Die niedrige Frauenanteil in höheren Positionen ist erstaunlich: Nicht nur, dass sie das Recht auf Gleichstellung haben – dank ihrer beruflichen Qualifikationen sind sie für Führungspositionen auch geeignet. Seit 2016 sieht die gesetzliche Frauenquote einen 30-prozentigen Frauenanteil für Aufsichtsratsposten in börsennotierten Unternehmen vor, die paritätisch mitbestimmt sind, über 2.000 Beschäftigte und über drei Vorstandsplätze haben.
Und die Quote zeigt Wirkung: Während der Frauenanteil in DAX-40-Vorständen 2014 noch bei 4,7 Prozent lag, liegt er zum 1. Januar 2024 bei 23,5 Prozent. Dieser Trend hatte auf Unternehmen, die nicht unter die gesetzliche Quotenregelung fallen, allerdings keinen sogenannten Spill-over-Effekt, wie viele es sich erhofft hatten.
Ursachen für den geringen Frauenanteil in Führungspositionen
Die Liste an Gründen, warum es qualifizierte Frauen noch immer nicht in leitende Positionen schaffen, ist lang und vielfältig – und nicht immer sind es von außen in den Weg gestellte Hürden.
- Auf Männer ausgerichtete Berufswelt: Frauen müssen sich in diskriminierenden Strukturen bewegen und Vorurteile aus dem Weg räumen.
- Konservative Führungskräfte: Noch immer denken viele Entscheider, ausschließlich Männer seien für Führungspositionen befähigt.
- Unbezahlte Care-Arbeit: Mehr Frauen als Männer übernehmen die Kindererziehung und Pflege von Angehörigen – und fehlen in dieser Zeit auf dem Arbeitsmarkt.
- Unvereinbarkeit von Familie und Karriere: Die Rahmenbedingungen in der Berufswelt zwingen viele Frauen dazu, sich zwischen Karriere und Familie zu entscheiden.
- Weibliche Selbstkritik und Selbstzweifel: Oft sind Selbstzweifel bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Während Selbstkritik im Berufsleben einerseits hilft, an den eigenen Schwächen zu arbeiten, können Selbstzweifel und ein mangelndes Selbstbewusstsein an anderer Stelle hinderlich sein, zum Beispiel bei Gehaltsverhandlungen oder in Bewerbungsgesprächen. Oft vermarkten sich Frauen schlicht nicht gut genug.
- Männliches Selbstbewusstsein & Verhandlungsgeschick: Im Gegensatz zu Frauen sind Männer bei Verhandlungen oft selbstbewusster und stellen auch ihre erzielten Erfolge stärker in den Vordergrund.
Vorurteile gegen Frauen in leitenden Positionen
Häufig müssen Frauen gegen hartnäckige Stereotype ankämpfen, was Geschlechterrollen angeht: Frauen gelten als einfühlsam und sanft – alles Eigenschaften, die in Führungspositionen nicht gewünscht sind. Anders sieht es mit Männlichkeit aus, mit der Objektivität, Unabhängigkeit und Führungskompetenz assoziiert werden – übrigens auch von Frauen selbst. Dieses Phänomen wird in der Sozialpsychologie „Think-Manager-Think-Male-Phänomen“ genannt.
Solche Vorurteile werden von Studien entkräftet. Frauen verfügen über diverse Soft Skills, die sie für Führungspositionen sehr geeignet machen: Sie zeichnen sich durch ein hohes Maß an Belastbarkeit aus, sind diplomatisch und stehen Innovationen offen gegenüber. Ihr Führungsstil ist transformational, indem sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vorbilder sind, diese inspirieren, respektieren, motivieren und zu eigenen Ideen ermutigen.
- Ist das Geschlechterverhältnis in der Führungsetage ausgewogen, hat dies positive Auswirkungen sowohl auf die Mitarbeitermotivation als auch auf das Unternehmensimage.
- Familienorientierte Unternehmen, in denen Chancengleichheit gelebt wird, machen sich zukunftsfit: Wer flexible Strategien verfolgt und progressive Maßnahmen ergreift, stellt sich dem demografischen Wandel, der Globalisierung und ist attraktiv für jüngere Generationen an Beschäftigten.
- Mit zeitgemäßen Arbeitsmodellen wie Homeoffice und anderem mobilem Arbeiten, flexibler Gleitzeit und Angebote zur Kinderbetreuung punkten Unternehmen gegenüber Mitbewerbern und bleiben konkurrenzfähig.
- Teile des weiblichen Führungsstils können für eine höhere Unternehmensperformance sorgen, selbst wenn die fachliche Fähigkeit von Frauen und Männern gleich ist.
- Frauen sind besonders gut darin, andere zu motivieren, und beweisen gleichzeitig ihre fachliche Kompetenz stärker als Männer.
- Dank ihrer eigenen Perspektive zeigen Frauen vielfältigere Denk- und Lösungsansätze.
Tipps, wie Sie als Frau eine Führungsposition erreichen können
Der ein oder andere Tipp wird Ihnen bekannt vorkommen – denn in der Theorie ist der Weg auf der Karriereleiter eigentlich klar. Oft scheitert es aber am letzten Schritt, die Tipps auch praktisch umzusetzen. Daher hier nochmal ein paar Anregungen:
Vermarkten Sie sich selbst
Zeigen Sie Ihre Fähigkeiten und Ergebnisse. Vor allem in Meetings und auf Events können Sie anderen zeigen, was Sie leisten und können. Sprechen Sie mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern. Schlagen Sie ihnen vor, Ihre Kolleginnen und Kollegen in Ihrem Fachgebiet zu schulen. So überzeugen Sie die Führungsriege sowohl von Ihren kommunikativen Fähigkeiten als auch von Ihrer Expertise.
Signalisieren Sie deutlich Ihre Karriereambitionen
Suchen Sie aktiv das Gespräch, um über Ihre Karriereabsichten zu sprechen. Die richtigen Momente und Adressen sind Feedbackgespräche mit Ihren Vorgesetzten, interne Coachings, die Personalabteilung und der Betriebsrat. Berichten Sie von Ihren Leistungen und wie Sie zum Unternehmenserfolg beitragen. Nutzen Sie Wertschätzung Ihnen gegenüber als Argument für eine Beförderung.
Ihre Gehaltsforderung können Sie mit einer Marktrecherche untermauern: Wie hoch sind die Durchschnittsgehälter in Ihrer Branche und in Ihrer Region?
Machen Sie es einfach
Indem Sie weitere Aufgaben übernehmen, lernen Sie Neues kennen, entwickeln sich weiter und stellen Ihrem Unternehmen gegenüber unter Beweis, dass Sie Herausforderungen gewachsen sind und sich für Führungspositionen eignen. Setzen Sie auf Ihre Stärken für Ihre beruflichen Ziele.
Nutzen Sie Fortbildungen, Karriere- und Persönlichkeitscoachings
Ziel von Coachings ist es, persönliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Entwicklungspotenzial zu entdecken und Ihre Karrierestrategie zu entwickeln. In Fortbildungen, Seminaren und auf Infoveranstaltungen erweitern Sie Ihre Expertise. Zudem stellen Sie mit der Teilnahme Ihr Engagement unter Beweis. Wenn Sie eine Zusatzqualifikation im Rahmen Ihrer aktuellen Tätigkeit und auf Anweisung Ihres Arbeitgebers erwerben, kann die Fortbildung auch als Arbeitszeit gelten. Dies regelt die Richtlinie 2003/88/EG, Artikel 2, Nr. 1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003.
Ist die Fortbildung nicht von Ihrem Unternehmen angeordnet worden, muss es auch nicht die Kosten übernehmen. Bei Kostenübernahme vonseiten des Unternehmens kann es diese jedoch steuerlich geltend machen.
Dennoch: Nutzen Sie die fünf Arbeitstage Bildungsurlaub im Kalenderjahr, die Ihnen in NRW als Arbeitnehmerin zustehen. Ist die Weiterbildung notwendig, erhalten Sie bei der Bundesagentur für Arbeit Bildungsgutscheine. Durch Weiterbildungen lassen Sie sich von der immer komplexer werdenden Berufswelt nicht abhängen, sondern gehen selbstbewusst voran. Und die Abschlusszertifikate bescheinigen Ihre neu erworbenen Kompetenzen.
Vernetzen Sie sich
Indem Sie Kontakte aufbauen, können Sie sich und Ihre Stärken präsentieren. Dies gelingt online genauso wie offline: Mit einem gut gepflegten Profil auf Businessportalen wie LinkedIn zeigen Sie Ihre fachliche Expertise und werden attraktiv für potenzielle neue Arbeitgeber oder Headhunter, die nach Ihren Qualifikationen suchen. Durch echte Präsenz auf branchenrelevanten Messen oder Networking-Veranstaltungen wie Stammtischen machen Sie Bekanntschaft mit interessanten Menschen aus Ihrer Branche.
Setzen Sie auch bei der Kinderbetreuung auf Gleichberechtigung
Die Kindererziehung wird immer häufiger zur gleichberechtigten Aufgabe beider Elternteile. Dennoch sollten Sie das frühzeitig mit Ihrem Partner besprechen. Treffen Sie klare Vereinbarungen und sorgen Sie mit der Unterstützung des Partners für eine ausgewogene Balance zwischen Kindern und Karriere.
Nutzen Sie außerdem die vielfältigen Betreuungsalternativen: Stehen Großeltern oder andere Familienmitglieder als Unterstützung zur Verfügung? Gibt es Tagesmütter, -väter oder Kitas in der näheren Umgebung, oder kommt für Sie ein Au-pair in Betracht?
Und falls Sie ganz vorausschauend planen können, wählen Sie Ihre Arbeitsstelle danach aus, ob sie beispielsweise einen Betriebskindergarten anbietet.
Bleiben Sie bei Ihrer Strategie – trotz anderer Meinungen
Gerade Mütter, die eine Führungsposition anstreben, stoßen oft auf Vorwürfe und Vorurteile: Vorwürfe, weil sie die Karriere den Kindern vermeintlich vorziehen, Vorurteile, weil sie bestimmt bossy und zickig sind.
Verfolgen Sie Ihre Ziele und fallen Sie nicht in veraltete gesellschaftliche Rollenbilder zurück. Umgeben Sie sich stattdessen mit Menschen, die Ihnen Rückendeckung geben, sowohl im Privatleben als auch im beruflichen Netzwerk. Das können weibliche Führungskräfte und generell beruflich ambitionierte Frauen seien. Auch mithilfe von Coaching stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein und Ihre Resilienz gegenüber Vorurteilen.
Ergreifen Sie (Wechsel-)Chancen
Seien Sie offen für alle beruflichen Möglichkeiten: Entsendet Ihr Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Ausland? Melden Sie sich. Werden neue Technologien eingeführt? Machen Sie sich damit vertraut. Gibt es neue interessante Projekte? Übernehmen Sie sie.
Sehen Sie bei Ihrer aktuellen Arbeitsstelle keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung, ziehen Sie einen Unternehmenswechsel in Betracht. Wird Ihnen ein unschlagbares Angebot mit besseren Aufstiegschancen unterbreitet, greifen Sie zu!
Fazit: Das Ziel immer vor Augen halten
Noch immer sind Männer und Frauen nicht ausgewogen in deutschen Führungsetagen vertreten. Frauen und insbesondere berufstätige Mütter müssen viel Zeit, persönliches Engagement und besonderes Durchhaltevermögen mitbringen, um auf der Karriereleiter weiterzukommen. Dies liegt nicht nur an unzureichenden Rahmenbedingungen bei der Kinderbetreuung oder an individuellen Ursachen: Oft stoßen Frauen auf kulturelle und strukturelle Herausforderungen.
Umso mehr gilt es für Sie, Ihre Karriereambitionen mit einer gezielten Strategie zu verfolgen. Jede Frau, die eine leitende Position erreicht hat, trägt ihren Teil zu einer nachhaltigen Veränderung der Unternehmenskultur bei. Sorgen auch Sie dafür, dass das Potenzial aller Geschlechter anerkannt und für Führungspositionen genutzt wird. Indem Sie Ihren Traum leben, machen Sie die Berufswelt vielfältiger.