Wohnen
Alternativ Leben und Bauen in Köln und Bonn
Genossenschaft, Co-Housing oder Mehrgenerationenwohnen – Möglichkeiten alternativer Bau- und Lebensformen gibt es inzwischen reichlich. Welche Ausprägungen davon in der Region zu finden sind, hat meinkoelnbonn.de unter die Lupe genommen.
Wer schon einmal an einer Eigentümerversammlung teilgenommen hat, weiß, dass es dort nicht immer friedlich zugeht. Diese jährlichen Versammlungen finden statt, damit die Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer in Mehrparteienhäusern darüber entscheiden können, wie sich ihre gemeinsame Immobilie weiterentwickeln soll: Muss die Fassade in diesem Jahr noch gestrichen werden – oder hält sie noch bis zum nächsten? Wie viel Geld muss dafür angespart werden? Wie hoch waren die Kosten für Reparaturen in den vergangenen Monaten? Längst nicht immer laufen diese Versammlungen harmonisch ab, oft genug gibt es Uneinigkeit und Zwist. In manchen Eigentümergemeinschaften geht das sogar so weit, dass eine Eigentümerin oder ein Eigentümer alle anderen verklagt.
Wer das nicht will, könnte beispielsweise ins Einfamilienhaus ziehen. Doch das ist in Städten wie Köln und Bonn nicht immer einfach. Erstens gibt es in der Stadt nicht viele Einfamilienhäuser – zumindest nicht im Zentrum. Zweitens sind die wenigen, die es gibt, oft teuer. Davon abgesehen ist das Wohnen im Einfamilienhaus vielleicht dem einen oder der anderen auch zu einsam. Eine Alternative dazu bieten oft Genossenschaften: In Bickendorf beispielsweise gibt es aktuell das Projekt Erlenhof, ein Mehrgenerationenmodell. Dabei leben Alte und Junge zusammen, denn Solidarität zwischen den Generationen ist hier wichtig. Die 54 Wohnungen sind öffentlich gefördert, barrierefrei und es gibt einen Gemeinschaftsraum sowie ein Gästeappartment. Auch auf dem Gelände der ehemaligen Clouth-Werke in Köln-Nippes in der Kautschukstraße leben die Genossenschaftsmitglieder nicht nur unter einem Dach, sondern auch miteinander. Immer wieder finden sie sich zu neuen Projekten zusammen, eine Kinogruppe, ein Rentnerinnen- und Rentnertreff, gemeinsam Strom selbst produzieren – die Möglichkeiten sind vielfältig.
Der kleine Unterschied bei alternativen Lebensformen
- BaugruppeWer zusammen ein Haus baut, bildet eine Baugruppe. Das gilt genauso für ein Reihenhaus wie für ein Mehrparteienhaus. Dementsprechend ist die Baugruppe, die in der Regel automatisch zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird, also zu einer GbR, die Grundlage für andere Bauformen.
- BaugenossenschaftEine Genossenschaft will ihren Mitgliedern günstigen Wohnraum bieten. Darum muss in der Regel Genossenschaftsmitglied werden, wer eine solche Wohnung beziehen möchte. Beispiel: Die Wohngenossenschaft Kautschukstraße hatte sich zusammengefunden, um im Clouth Quartier ein Projekt umzusetzen. Das Bauprojekt war bei der WoGe Köln eG angesiedelt, also der Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen. Die Genossenschaftsmitglieder mussten sich auf die fertigen Wohnungen bewerben. Eigentümerin ist jedoch die WoGe, es sind nicht die einzelnen Bewohner oder die Baugruppe. Eine andere Baugenossenschaft in Köln ist der Beginenhof. Das Besondere daran: Hier haben sich ausschließlich Frauen zum gemeinsamen Bauen und Leben zusammengefunden.
- Co-HousingIn diesen Wohnprojekten steht das gemeinschaftliche Leben im Vordergrund. So gibt es beispielsweise gemeinsame Küchen, Fitnessräume, Dachterrassen oder Bibliotheken. Ein Co-Housing-Projekt gibt es in direkter Nachbarschaft zur Wohngenossenschaft in der Kautschukstraße. Es heißt Wunschnachbarn. Ein Co-Housing-Projekt muss nicht zwingend eine Genossenschaft sein.
- MehrgenerationenhausDie Bewohnerinnen und Bewohner sind bewusst eine Mischung aus älteren und jüngeren Menschen. Vom Gedanken her kann man so als große Familie zusammenleben, auch wenn man das im eigentlichen Sinne des Wortes nicht ist. Beispiel: Die Älteren kümmern sich möglicherweise um die Kinder der Jüngeren. Dafür bringen diese vom Einkaufen die schweren Getränkekisten mit. Mehrgenerationenwohnprojekte sind beispielsweise die Wohngenossenschaften Amaryllis und der Verein Wahlverwandtschaften in Bonn.
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Vor- und Nachteile des alternativen und gemeinschaftlichen Lebens
Der große Vorteil des genossenschaftlichen Lebens: Man kann sich seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter aussuchen. Zieht eine oder einer aus, werden Bewerbungsgespräche geführt – und am Ende entscheidet die Wohngenossenschaft gemeinsam, wer am besten zu ihr passt. Ganz anders ist es dagegen, wenn man eine Wohnung in einer Eigentümergemeinschaft hat, oder im Einfamilienhaus lebt: Auf seine Nachbarinnen und Nachbarn hat man dort eben keinen Einfluss. Man kann sich also die anderen Eigentümerinnen und Eigentümer genauso wenig aussuchen wie die Mieter, die diese unter Umständen einziehen lassen. Darum kann es auch nach langer, guter Zeit mit nur einem Eigentümerinnen- und Eigentümer- oder Mieterinnen- und Mieterwechsel plötzlich sehr unangenehm in der Gemeinschaft werden.
Dieses Risiko ist bei den alternativen Wohn- und Lebensformen oft minimiert. Auf der anderen Seite fordert ein gemeinsames Bau- und Wohnprojekt, dass man sich engagiert. Das kann sehr zeitintensiv werden. Außerdem sind lange Diskussionen und Kompromisse auch nicht jedermanns und jederfraus Sache.
Mehrgenerationenwohnen in Bonn
In Bonn gibt es das Mehrgenerationenwohnprojekt Amaryllis. Die Wohngenossenschaft richtet sich an Menschen, die neben preiswertem und sicherem Wohnraum auch Gemeinschaft suchen, an Selbstverwaltung interessiert sind und einen ökologisch-nachhaltigen Lebensstil wünschen. Der Prozess, um bei Amaryllis Mitglied zu werden, kann bis zu drei Monate dauern. Wer Mitglied ist, hat jedoch nicht automatisch einen Rechtsanspruch auf eine Wohnung. Entscheidungen werden bei Amaryllis grundsätzlich gemeinsam bei den regelmäßigen Zusammenkünften getroffen. Grundlage für die Selbstorganisation sind Arbeitsgruppen – beispielsweise zu den Themen Garten, Mobilität oder Finanzen. Von allen 50 Bewohnern wird erwartet, dass sie sich in mindestens einer Arbeitsgruppe einbringen und an den Treffen teilnehmen. In Zeit ausgedrückt bedeutet das einen mittleren Einsatz von 15 Stunden pro Monat. Allerdings schwankt der Zeitaufwand zwischen etwa zwei und 40 Stunden – je nach gesundheitlicher Verfassung und Belastung beispielsweise durch den Beruf.
Worauf man vor Vertragsunterschrift achten sollte
„Gemeinschaftliche Bau- und Wohnformen haben viele Vorteile“, sagt auch Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. „Wer sich dafür begeistert, sollte aber die finanziellen Risiken nicht aus den Augen verlieren.“ Gerade wenn es um Bauprojekte geht, bringt sich jeder mit seinem Vermögen ein. Oft handelt es sich aber aufgrund der vielen Beteiligten um recht große Grundstücke, um Großbauprojekte und um Summen, die man als Bauherrin und Bauherr eines Ein- oder Zweifamilienhauses eben nicht stemmen muss. „Springt jemand ab, und hat man diesen Fall vorher nicht rechtlich geregelt, kann das für die Verbleibenden sehr teuer oder sogar existenzbedrohend werden“, so die Juristin. Darum sollte man Gesellschafterverträge abschließen, in denen man beispielsweise Austritte oder Schadenersatzansprüche und Haftungsfragen regelt.
Nach einer guten rechtlichen Beratung können die Beteiligten dann vom Projekt profitieren. „Es spart natürlich Kosten“, so Julia Wagner. „Schließlich lässt man als Baugruppe die Bauträgerin und den Bauträger außen vor. Man findet in Ballungsgebieten vielleicht leichter ein Grundstück und spart auf jeden Fall beim Materialeinkauf, weil man größere Mengen abnimmt. Außerdem kann es günstiger werden, eine Baufirma für ein großes Projekt über drei Jahre zu beschäftigen als nur über einige Monate.“ Scheut sich die Gruppe davor, ein so großes Projekt alleine zu stemmen, könne eine beauftragte Baubetreuerin oder ein beauftragter Baubetreuer weiterhelfen, so Julia Wagner.